Raclette-Kaese, eine Kurzgeschichte

Menge: 1 Text

Zutaten:
Toni Kaiser Erfasst von Rene Gagnaux

Es geht schnell, kostet wenig und ist urgemuetlich: Raclette, das
typische Schweizer Käsegericht, kann aber noch mehr. Wir zeigen
Ihnen, wie es in neuen gluschtigen Variationen auf den Tisch gebracht
werden kann und angenehme Abwechslung in den Speisezettel bringt.

Wie gut, dass es Raclette gibt. So konnten die urchigen Walliser
Sennen im Val dIlliez, im Val de Bagnes und im Goms immer wieder
frische Kräfte schöpfen. Denn das karge Dasein auf der Alp setzte
den tapferen Berglern hart zu. So hart, dass ihnen die wuerzige
Käsespeise mehr bedeutete als bloss Nahrung: Sie gab ihnen
Geselligkeit und Wärme, entweder draussen in den ungastlichen Bergen
oder drinnen in der heimeligen Stube. Und so fuehrte der rahmige,
kräftig schmeckende Bergkäse sie immer wieder zusammen und liess
sie – schon seit dem 16. Jahrhundert – ihren Znueni gemeinsam am
offenen Feuer schmelzen.

Bis zur Jahrhundertwende blieb der Raclettegenuss den Sennen und
Bauern vorbehalten, bis das Gericht anlässlich einer
Landwirtschaftsausstellung erstmals an eine breitere Oeffentlichkeit
gelange. Von da an war sein Siegeszug nicht mehr aufzuhalten. Dazu
beigetragen hat wohl auch, dass der zartschmelzende Käse – ob nun
das kräftige Walliser Original oder eine der zahlreichen milderen
Nachahmungen aus einem Grossbetrieb der uebrigen Schweiz – nicht mehr
nur am offenen (Cheminee-)Feuer zubereitet werden muss, sondern auch
bequem in einem der vielen elektrischen Oefelchen schön portioniert
und in unzähligen Variationen mitten auf dem Tisch von den Gästen
selbst geschmolzen werden kann. Die Tischsitte erlaubt es dabei
ausdruecklich, dass man sofort zu essen beginnt, ohne warten zu
muessen, bis alle bedient sind, denn heiss und mit bräunlicher
Kruste obenauf schmeckt der Käse am allerbesten. Was die Lockerheit
eines Racletteanlasses noch unterstreicht und der Runde wie beim
Fondue ihre so vielgeruehmte Gemuetlichkeit verleiht.

In seiner Originalzubereitung am offenen Feuer muss der rahmige
vollfette Käse mit dem tiefen Schmelzpunkt nach dem Abschaben der
Rinde (ja nicht wegschneiden!) halbiert und mit der Schnittfläche
gegen die Glut gehalten werden, bis der Käse zu fliessen beginnt.
Das Geschmolzene ergibt jeweils eine Portion, die auf einen heissen
Teller abgestrichen und mit den klassischen kleinen Kartoffeln, die
auch Raclettekartoffeln genannt werden, Cornichons, Silberzwiebelchen
und eventuell Mixed Pickles serviert wird. Fuer eine vollständige
Mahlzeit rechnet man dabei mit rund 200 Gramm Käse und 200 bis 250
Gramm Kartoffeln pro Person. Eine kräftige Prise frischer, grob
gemahlener Pfeffer und allenfalls Paprika gehören dazu, und fuer
Liebhaber sollte ein trockener Schweizer Weisswein nicht fehlen, es
könnten aber durchaus auch ein spritziger Rose oder ein kuehles
helles Bier sein. Wie beim Fondue empfehlen Kenner auch zum Raclette
Schwarztee, weil dieser die Verdauung anregt. Und sollten Reste
uebrigbleiben, sind diese keineswegs verloren, denn der zarte Käse
eignet sich auch hervorragend als Käseschnitten oder Gratins,
verleiht Fonduemischungen einen besonderen Schmelz und bereichert –
zusammen mit Trockenfleisch, Rohschinken, Tomaten und Cornichons –
den Walliser Teller oder die Käseplatte.

Wie aufbewahren?

Kleine Reste sind gut verpackt in Klarsichtfolie im Kuehlschrank ohne
weiteres ein bis zwei Wochen haltbar. Falls Sie gleich einen halben
Laib gekauft haben und davon ein oder mehrere grosse Stuecke von
ueber einem Kilogramm uebrigbleiben, verpacken Sie diese ebenfalls in
Klarsichtfolie und bewahren Sie sie wenn möglich im kuehlen Keller
(oder im Kuehlschrank) auf. Der Käse hält sich so bis vier Wochen;
schon deswegen lohnt es sich, einen halben Laib anzuschaffen, der
dann in mehreren Malen aufgebraucht werden kann. Der Käse sollte
aber wöchentlich einmal kontrolliert werden; falls nötig mit einem
feuchten Tuch abreiben, trocknen lassen und wieder in frische Folie
einwickeln.