Rund um die Weisswurst

Menge: 1 Info

Zutaten:
WEISSWURST
Muenchner Schmankerl
Renate Schnapka am 07.03.97

Weisswurst-Weisheiten von Siegfried Sommer

Wanderer, kommst du nach Muenchen, dann schimpfe nicht gleich ueber die
Seppl und die ungezählten Umleitungsschilder. Sondern mach zuerst einmal
Brotzeit. Die Brotzeit ist nämlich nach altbayerischer Meinung nicht nur
die schönste, sondern vor allem auch eine Zeit, zu der man sich unbedingt
Zeit nehmen soll. Denn der Gott, der Eisen wachsen liess, tat dies nicht
bloss, damit man Aufschlazuender daraus mache, sondern zuvörderst einmal
Messer und Gabel. Und er schuf schliesslich zum Besteck auch noch das
Tellerfleisch und den Schnittlauch, die Milzwurst, das Bries und die
Weisswurst. Bevor du aber, Fremder, die Bayerischen Bananen oder ein
anderes Muenchner Schmankerl deinem geschätzten Zerwirkgewölbe zufuehrst,
lies die nachstehenden kleinen Weisswurst-Weisheiten. Und du hast mehr vom
Imbiss, der Jause oder der Vesper in Muenchen.

Die Weisswurst wurde nicht com weltbekannten Komiker Weiss-Ferdl, sondern
Anno domini 1857 von dem tugendsamen Metzgergesellen Sepp Moser im Gasthaus
Zur Ewigen Lampe zufällig erfunden. Fuer den Verzehr der Weisswurst
gelten seit dieser Zeit folende eherne Gesetze: Die Weisswurst soll das
Zwölfuhr-Läuten nicht hören, weil sonst das Wurstbrat fade und
unansehnlich wird, was den Genuss sehr beeinträchtigt, da nach
einheimischen Vorstellungen auch das Auge mitisst. Weisswuerste bestellt man
nicht paar- sondern stueckweise. Man isst sie entweder, indem man die Haut
vom Ende her mit Daumen und zeigefinger halb abzieht und die Wurst dann in
den Senf taucht, oder man kann sie mitsamt der Montur, der Haut,
verzehren. Auch das Auszuzln ist absolut tafelfähig. Wenn man die
Weisswurst hingegen zum Zwecke des Tranchierens in der Mitte durchschneidet,
muss die Schnittfläche als Qualitätsbeweis ein Häuberl machen. Beim
Essen muss sie aus der Haut schluepfen. Wer die Weisswurst der Länge nach
aufschneidet oder einen französischen Senf dazu nimmt, ist ein Barbar.
Sagen die Muenchner. Zur Weisswurst wird weder Sauce noch Salat gegessen,
sondern suesser bzw. Meerrettich-Senf. Ausserdem gehört das leider in
Muenchen immer seltener werdende riesige Riemische oder das Maurer Loawe,
aus dem bekannten Loawedoag gemacht, dazu. Oder die resche Brezn. Jedoch
nicht die ins Bayerische zugewanderte Schrippe oder gar der Aschinger
Knueppel. Als Weisswurstgetränk empfiehlt sich das Weiss- oder
Weizenbier, mit einer ganzen runden Scheibe Zitrone als Einlage drin. Merke
dir jedoch, Tourist, Gast oder Zuagroaster, dass der grösste Feind einer
frischen Mass oder Halbe das Fett ist. Verwehre also deiner Blonden
Reifenpanne, der Sekretärin, der Urlaubsmieze und sogar der leibeigenen
Gattin- sofern sie ihren Rosenmund mit dem in Stangenform gegossenen
Scharlach bemalt hat- strikte den schäumenden Kelchesrand und bestelle ihr
eine eigene Halbe. Denn selbst die geringste Beruehrung mit Oel oder Fett
lässt das Bier entsetzt zusammenfallen, so dass es dich hernach mit einem
beleidigten, tueckischen Auge truebe anblickt.

Jeder Ureinwohner und gelernte Brotzeit-Macher wird sich deshalb auch ohne
Verletzung der Tafelsitten nach dem Wurstgenuss mit dem Handruecken ueber
den Mund fahren, bevor er das flueussige Brot zu sich nimmt.

Wer aber dabei glaubt, er sei vom Thekenwart beim Einschenken schlecht
bedient worden, blase zuerst einmal langsam einen Kontrolltrichter in den
weissen Schaum und lasse dann gegebenenfalls von der Bedienung nachschenken.
Eine Muenchner Kellnerin wird das nicht uebelnehmen, denn sie ist an solche
Aufträge gewöhnt. Oder aber sie tröstet den Gast mit dem ortueblichen
Spruch:Der Schankkellner braucht wieder amoi a nei Hosn.

Wer sich an diese Brotzeit-Statuten hält, der kann sicher sein, dass ihn
sein bajuwarischer Tischgenosse oder Nachbar mit grossem Wohlgefallen
betrachtet oder gar bald freundlichst an Guatn… wuenschen wird, woraus
der Fremdling schliessen darf, dass er schon auf dem besten Wege ist, ein
gelernter Bayer zu werden.

Wie die Weisswurst entstanden ist.

Es war der Moser Sepp, der am fruehen Morgen des Fastnachtssonntags 1857 mit
seinen Metzgerburschen im spärlich erleuchteten Schlachthaus in seinem
Gasthof Zum Ewigen Licht damit beschäftigt war, nicht zu geringe Mengen
an Brat fuer die Bratwuerste herzurichten. Als es soweit war, dass die
Därme ueber die Wurstspritze gestuelpt werden sollten, da stellte es sich
heraus, dass es ewig nicht die richtigen waren. Viel zu dick waren sie. Die
paar Meter duenne wurden schnell gefuellt, dann stand der Sepp vor einer
schier unlösbaren Aufgabe, die er so löste, dass er die dicken Därme
einfach zu doppelten Bratwuersten einfuellte.

Als dann am Sonntag die Gäste von der Kirche kamen, liess er die dicken
Wuerste im Herrenstueberl servieren, nicht ohne zu bemerken, dass man duer
die angesehenen Buerger was Besonderes auf den Tisch bringe. Die
Begeisterung war gross. Auch der Fachmann, der Metzgermeister Mannhart vom
Thiereckgassl, beteiligte sich an der angeregten Unterhaltung, nur
konstatierte er:Das Brat muass a wenig fester sein, die Wurscht muass an
Biss ham, Sepp, tua no was von de ogfiesltn Knoibsknocha nei, na werns
recht! Und das tat dann auch der Moser-Sepp. Auch Petersilie und
abgeriebene Zitronenschalen kamen dazu und verfeinerten die ERfindung. So
kam die Wurst abermals auf den Buergertisch und fand schnell Beifall. Der
Zivilarzt Buchner vom Rindermarkt probierte ebenfalls, ihm gefiel besonders
die reine weisse Farbe daran, die, wie der Sepp erklärte, von dem
gekochten Kalbfleisch herkäme. Damit hatte auch die Wurst ihren Nahmen,
der seitdem in viele fremde Sprachen uebersetzt, aber doch nur in Muenchen
den richtigen Klang hat. Merke slao: Weisswurst, Geburtsdatum: 22. Februar
1857, Geburtsort: Ewiges Licht.